Hundeschlitten
Die meisten Besucher kommen hierher, um zu wandern und um mit dem Boot durch den Eisfjord zu fahren, wenige um mit dem Hundeschlitten über Eis und Schnee zu gleiten. Aber genau das war es, was mich jetzt reizte. Ich traf Ulf, den ewigen Studenten aus Dänemark, der vor 12 Jahren hierherkam und nie wieder wegging – langsam lernte ich diese Faszination mehr und mehr zu verstehen. Er lud mich ein, drei Tage mit ihm und seinen Hunden quer durch die Eislandschaft zu gleiten und Robben zu jagen. Klar, dass ich mich nicht lange bitten ließ, nicht wissend, auf was ich mich da eingelassen hatte.
Beißende Kälte
Gehüllt, fast hineingewachsen in einen Ganzkörperseehundfellanzug (welch prächtiges Wort!), und so habe ich mich auch gefühlt. Und schon ging es los: Querfeldein rannte das quirlige Rudel von 12 Hunden, rastlos, ohne Pause. Der Schnee fegte mir über das Gesicht in alle Poren, und Ulf trieb seine Meute unaufhaltsam und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über Eis und Schnee.
Am Ende dieses ersten Tages kroch ich mit durchgeschüttelten Knochen in unsere Jagdhütte und versank, noch ganz in meiner zweiten Haut steckend, sofort im Tiefschlaf. Im Traum fand ich mich im geheizten Kinosaal wieder, und ein wilder Albtraum mit Vulkanausbrüchen und glühender Lava begleitete mich in den Morgen. Als ich aufwachte, wähnte ich mich in eine Zwangsjacke geklemmt.
Willi, der Walexperte
Nach drei Tagen auf dem Hundeschlitten fühlte ich mich bereits als Inuit und hatte die vor mir laufende und jaulende Hundebande fest in der Hand. Zurückgekehrt, erzählte ich mein Abenteuer Willi bei einem Drink in der Dorfkneipe. Willi stammt aus Bremerhafen und lebt seit mehr als 23 Jahren hier in Grönland. Ein Walexperte, wie es nur einen gibt. Er kann alle Wale, die jedes Jahr in großer Zahl vor der Küste Grönlands den Futterreichtum des Meeres leeren, nahezu riechen. Davon konnte ich mich am nächsten Tag überzeugen.
Wir starteten, um Buckel- und Finnwale zu suchen, die ihm andere Fischer gemeldet hatten. Es dauerte kaum eine Stunde und Willi hatte sie aufgespürt. Auf Schleichfahrt näherten wir uns einem der Meeresriesen – es war ein gigantischer Buckelwal. Als er uns erblickte, startete er seinen Tauchgang, kaum 5 Meter von unserer kleinen Nussschale entfernt. Ich wagte kaum zu atmen und überlegte fieberhaft, ob er nun unser Boot rammt und uns mit ins gerade mal 1 Grad kalte Nass zieht. Gespannt blickte ich auf seine riesige Flosse, die er wie zum Gruß aufrichtete und elegant wie ein Turmspringer abtauchte. Zehn Minuten später tauchte er Hunderte Meter entfernt wieder auf, warf sich auf den Rücken und winkte uns mit seiner Bauchflosse zu, geradezu so, als wollte er Willi, den Seebären, begrüßen. Was für ein Anblick, was für ein Tag, wert, in das Logbuch des Lebens eingetragen zu werden.