Als Pilger in Tibet

Als Pilger unter Pilgern reisten wir 2.000 km quer durch Tibet um mit ihnen den heiligen Weltenberg Kailash zu umrunden.
 
Mythenumwogene Berge, lamaistische Klöster, traditionell lebende Hirtennomaden verzauberten uns sehr schnell und ließen uns die Heiterkeit der Seele, die die Tibeter ausstrahlen mit offenen Herzen aufnehmen. Ein Leben mit dem Horizont, in den unendlich weiten Hochebenen begann für uns. Das Gefühl der Einengung verliert sich von selbst, Zwänge und der für uns Europäer typische Stress lösen sich in nichts auf.
 
Man spürt, dass man lebt, man hört nur den Wind der beständig durch das Land fegt. Die Aura der Göttlichkeit erfüllte uns mit neuen ungeahnten Energien, ist er doch den Göttern, die auf den schneebedeckten Gipfeln der Achttausender thronen, so nahe wie noch nie zuvor. Überirdisch würde ich gerade dieses Gefühl bezeichnen, wenn man den höchsten Gipfeln der Erde so nahe ist.
 
Die menschliche Existenz der Tibeter ist gekennzeichnet von der Harmonie zwischen Mensch und Natur; das bedeutet aber auch, dass die Natur bedrohlich werden kann und der Kampf um das Überleben den Alltag bestimmt. Wir alle sind von der Natur des Menschen her so ausgestattet, dass wir mit den hereinbrechenden Konfrontationen fertig werden könnten. Nur die Tibeter verstehen es bis heute, wir Europäer haben es schon lange verlernt.
 
Wir brauchen Krisenmanagements und Befehle von oben, damit wir endlich verstehen, dass wir handeln müssen. Wir haben unsere ursprüngliche Heimat, die Natur, verloren, und zu ihr zurückzukehren, gelingt uns nur vereinzelt. Umso mehr bewundern wir die Tibeter wie sie ihren Alltag meistern. Während wir Europäer uns die Erde untertan machen und sie zu beherrschen versuchen, leben sie im Einklang mit ihr, denn sie wissen, dass die Erde ihnen das Überleben sicher sie gibt ihnen Nahrung, Obdach, Medizin und Kleidung. Sie ist die Quelle ihrer Unabhängigkeit, und sie gilt es zu bewahren. Der Schlüssel zum Überleben ist ihre Selbstbestimmung nämlich die Freiheit, ihr Leben selbst zu kontrollieren. Die Achtung der Nomaden vor jeder Form des Lebens und der weite Horizont ihres Geistes macht diese Menschen so einzigartig. Sie haben nie versucht das Land auf dem sie Leben untertan zu machen, vielmehr haben sie sich angepasst und ihren Platz darin gefunden.